Marbled Blue Vinyl

Tuesday, April 11, 2006

Bob Dylan - The Times they are a-changing

Bob Dylan - The Times they are a-changing

(1964 / Columbia Records / 12" Vinyl)

Wenn es je einen Preis für das "trockenste" Album aller Zeiten geben sollte, dann würde ihn The Times they are a-changing ganz sicher einheimsen. Trocken und Ernst. Mindestens so ernst wie Bobs Blick auf dem Cover. Kein Schimmern der ätzenden Ironie, welche er auf seinen späteren Alben entdeckt und so puristisch arrangiert und instrumentiert wie irgendwie möglich. Der Stempel "Protestsänger" den er sich mit seinen Auftritten, seinem vorhergehenden, zweiten Album The Freewheelin' Bob Dylan und vorallem mit dem obligatorischen Blowing in the Wind eingebracht hat, trifft hier noch vollends zu. Das Album war binnen 6 Tagen eingespielt, was für Dylan damals eine relativ lange Zeit war (der Nachfolger Another Side of Bob Dylan entstand später 1964 in einer Nacht). Er war ja auch unabhängig, musste noch keine Band koordinieren. Demzufolge gibts auf dieser LP auch wirklich 100% Dylan - Stimme, Akustikgitarre und Mundharmonika. Auf einem der Outtakes der Sessions gibt es (veröffentlicht auf The Bootleg Series vol. 2) ein minimalistisches Piano in Paths of Victory zu hören - der einzige instrumentale Ausreisser aus diesem kargen Schema.

Im Titeltrack klampft sich Dylan durch den gefühlten Nachfolger von Blowing in the Wind - kein anderer Song dieses Albums wurde ähnlich populär und geht so plakativ ("plakativ" natürlich in Dylan-Maßstäben) an die Sache ran. Außerdem ist er der einzige, in dem er so etwas wie Gesang einbringt. Der Ear-Catcher des Albums sozusagen. Song Nr. 2 Ballad of Hollis Brown erzählt dann schon direkter die Geschichte einer verarmten Familie, deren Oberhaupt (Hollis Brown - ein ausnamsweise fiktiver Charakter) sein letztes Geld schließlich für 7 Schrotkugeln ausgibt. Schluck. Es gibt dann zwar auch weniger politische bzw. sozialkritische Songs auf der LP wie bspw. One too many Mornings, doch diese tonnenschwere Ernsthaftigkeit ist ständig präsent. Einige Kritiker bezeichneten es als geradezu "depremierendes Werk, welches man nur in kleineren Dosen zu sich nehmen sollte". Insgesamt könnte man über die musikalische Qualität sagen, dass sich für das nebenherhörende Ohr alles ziemlich ähnlich anhört. Bei Boots of Spanish Leather verwendet Dylan sogar dieselbe Melodie wie beim, nur 1 Jahr zuvor auf The Freewheelin' Bob Dylan erschienenen Hit (!) Girl from North Country. Er bedient sich bei jedem Song (außer eben bei Times they are a-changing) einer beiläufigen Art des Storytellings, trifft aber textlich immer den Punkt. Seine Gitarre spielt ständig neben der Stimme. Und für heutige Verhältnisse ist es ziemlich unglaublich, dass sich auf der ganzen Platte kein einziger Schlagzeugtakt befindet. Doch diese kühle Strenge und Kargheit in Verbindung mit den anklagenden Texten hat irgendwie auch seinen besonderen Reiz. Ausgestattet mit einem atemberaubenden Reimschema immer eine Spur neben dem Takt - Only a Pawn in their Game - auch so ein Texthammer, vorallem wenn man die Zusammenhänge dieser Geschichte über den ermordeten Bürgerrechtler Medgar Evers kennt (Wikipedia!). Überhaupt sollte man schon einiges Verständnis für die Ängste und Nöte dieser Zeit haben um zu begreifen, welche Sprengkraft eine solche Platte damals hatte. Dass ein Song wie With God on your Side, welcher von den waffengewaltigen Missionierungskriegen der USA im Zeichen des Glaubens handelt (gerade tobte der Vietnamkrieg), heute noch so aktuell ist wie damals, sagt schon einiges aus. Nur war es damals nicht nur ein kurzlebiger Modetrend, sich als Musiker gegen die Regierung zu äußern. Es sollte die letzte LP werden auf der Dylan mit derartig erhobenem Zeigefinger von sich weg (in alle möglichen Richtungen!) zeigt. Und wahrscheinlich auch die letzte, die die Folkies, die eingeschworene Protestgemeinde, zu 100% zufriedenstellen konnte.

Mit meiner Ausgabe des Vinyls habe ich so meine Probleme. Ich besitze leider nur die Reissue der Platte von vor ein paar Jahren und genau da liegt das Problem. Klanglich kann ich eigentlich nicht meckern - ich bin auch nicht ein solcher Purist, der unbedingt eine originale Mono-Ausgabe haben muss. Nur wenn auf dem Backcover die berühmten 11 Outlined Epitaphes (ein paar Gedichte von Bob) abgedruckt werden mit dem Vermerk "continued on insert", es aber kein Insert gibt...dann ist das bei einem solchen Klassiker schon ein ziemliches Manko. Das hübsche Hochglanzcover und die solide Aufmachung besänftigen mich dann zwar schon ein bischen, aber insgesamt hätte man sich da schon etwas mehr Mühe geben können.

Rating - 9 / 10
Vinyl-Rating - 5 / 10

- CGV -

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