Marbled Blue Vinyl

Thursday, February 23, 2006

Sonic Youth - A Thousand Leaves

Sonic Youth - A Thousand Leaves

(1998 / My So-called Records / 2 x 12" Vinyl)

Das wievielte Sonic Youth Album A Thousand Leaves denn nun ist? Keine Ahnung! Wenn man die millionenfachen EP's, Soundtracks, das Sonic Death-Livealbum und das Best of der Blast First Labeljahre Screaming Fields of Sonic Love weglässt, sollte es das 11te sein. Das ist halt so Ansichtssache. Fest steht aber, sie waren niemals zuvor und auch nie mehr danach so reif, so erwachsen, so im Jazz verwurzelt. Bei näherer Betrachtung könnte man es fast als konservatives Album betrachten. Natürlich nicht konservativ im Folk-Sinn. Oder gar im politischen. Eher konservativ in der Instrumentierung, in der Gemäßigtkeit der Aufnahmen. Klar befindet sich auch hier der ein oder andere Rocker, zu dem sich Sonic Youth (manchmal muss man sagen leider) seit Goo und Dirty offenbar verpflichtet fühlen. Doch größtenteils dominieren die leisen Töne, die langen Improvisationen, die ausgeklügelten Arrangements. Und diesmal wollen diese Tracks einfach nicht nach den Straßen New Yorks klingen (wie z.B. noch mustergültig auf Daydream Nation), sondern erinnern eher an einen stickigen, dampfenden Südstaaten-Moor, nach Erinnerungen an Blues und New Orleans Jazz.

Ausgerechnet der erste Track ist dann aber doch dermaßen von der Rolle, dass er eigentlich so gar nicht zum Rest des Albums passen will. Contre le Sexisme ist eigentlich nur eine Vocal-Improvisation getragen von...ja was? Geräuschen! Könnte glatt von einer der SYR-EP's stammen, welche die Band in diesen Jahren in Eigenvertrieb unter das Volk brachte. Doch so befremdlich der Song wirkt (Freunde der Dirty-Ära werden schon die Ohren angelegt haben), er ist der perfekte Opener für das Nachfolgende. Sunday haut anschließend plötzlich so beherzt in die Saiten, dass man sich wundert, dass die besungene Alltagstragik, die Hassliebe zu Sonntagen, die besungene Melancholie trotzdem 100%ig glaubhaft bleibt. Der anschließende Noise-Ausbruch bleibt gemäßigt, regt höchstens das Tanzbein, verblüfft mit Rhytmik - was ist hier nur auf einmal los? Das war dann auch schon quasi das Pop-Wunder von A Thousand Leaves.

Bleiben noch die erwähnten Rocker (French Tickler, The Ineffable me) welche im Kontext zwar einigermaßen deplaziert wirken, einzeln aber natürlich trotzdem Spaß machen, sowie die Herzstücke des Albums. Wenn ich von den Herzstücken spreche meine ich Wildflower Soul, Hoarfrost, Hits of Sunshine, Karen Koltrane und Snare Girl. Sonic Youth ist jetzt nicht unbedingt die Band, die mit gefühlvollem Songwriting und emotionalen Texten berühmt geworden ist. Sie waren eher Die, welche Noise aller Art ein Stückchen in Hörweite der Pop/Rockmusik geschoben haben. Damit meine ich keineswegs, dass die Band ein emotionaler Eisklotz war. Wish Fulfillment, Winner's Blues oder Little Trouble Girl waren in der Vergangenheit gute Beispiele für tiefergehende Songs. Doch so umfassende Manifeste wie Hoarfrost (welches dabei noch etwas kühl klingt) oder Hits of Sunshine (welches dann entgültig die Fensterläden aufreißt und in der Morgensonne tief Luft holt) gab es vorher nie. Und bei aller Liebe zu den Nachfolgern NYC Ghosts & Flowers (dessen überwältigende Qualitäten jedoch woanders liegen) und Murray Street - solche Gefühle gab es auch danach nichtmehr. Man hat fast das Gefühl sich an der Platte wärmen zu können.

Sicher man kann die Platte auch anders hören. Man kann die langgezogenen Songs bemängeln (Hits of Sunshine bringt es auf über 11min) oder finden, dass sie genau die richtige Länge haben. Man kann damit argumentieren, Sonic Youth wären früher viel visionärer, viel aufregender gewesen oder aber man liebt einfach die neue Entspanntheit, das sich-nichts-mehr-beweisen-müssen. Für Jene, die offen sind und die Fusion von Impro Jazz und Noise-Rock hören wollen und die Komplexität der neuen Sonic Youth schätzen, kann diese Platte aber nur ein Meilenstein sein.

Zur Vinyl Ausgabe gibt es leider nicht allzuviel zu sagen. Während die CD auf dem Major Geffen erschien, wurde das Vinyl in mittlerer Auflage vom Label des Drummers Steve Shelley My So-Called Records selbst gepresst. Das führt zur etwas irritierenden Beschriftung syr#3 auf der Rückseite - ein Hinweis, dass es die dritte Eigenveröffentlichung der Band ist - dumm nur, dass die eigenständige EP-Serie ebenfalls eine SYR 3 beinhaltet. Aber egal. Bei der Aufmachung des Vinyls hat man leider auf ein Klappcover verzichtet (dabei zählt das Washing Machine Vinyl-Klappcover von 1996 zu meinen Design-Highlights überhaupt!) und beide LP's in einen kleinen Pappschuber gepresst. Dazu gibts noch ein unspektakuläres Lyric-Sheet (eine Seite großformatiges Foto, andere Seite kleinformatige Schrift) welches immerhin in der CD-Ausgabe fehlt. Leider kommt es durch das Rein- und Rausziehen der Platten zwangsläufig zu kleinen Abnutzungen der Pappe - ist einfach keine gute Lösung für Doppelvinyl. Die Pressung an sich ist aber eine Feine.

Rating - 10 / 10
Vinyl-Rating - 6 / 10

- CGV -

Belle & Sebastian - The Life Pursuit

Belle & Sebastian - The Life Pursuit

(2006 / Rough Trade / 2 x 12" Vinyl)

Das erste Album das dieses Jahr die Sonnenstrahlen zwischen den Winterwölkchen hervorkitzelt. Einen besseren Veröffentlichungszeitpunkt hätten sich Belle & Sebastian für ihr 7tes Album nicht aussuchen können - man erwacht gerade etwas aus seiner Winterletargie und weiß genau, das wird das erste Album das mich über den Sommer begleiten wird. Aber mit Sicherheit!

Belle & Sebastian ist ja auch so eine Band für dich ich mich vorher nie richtig interessiert hab. Mal ein paar Songs vom Wusel vorgespielt bekommen, wovon aber lediglich The Boy with the Arab Strap hängen geblieben ist. Also schnell wieder vergessen. Dann tauchte aber ein Song des neuen Albums auf der Rolling Stone New Noises CD auf und es war um mich geschehen. Ist schon lange her, dass mich eine Band so von hinten ausgeknockt und entführt hat. Nun haben sich Belle & Sebastian jedoch etwas von ihrer zugegeben in der Vergangenheit sehr leisen Spielart entfernt. Auf diesem Album findet man kaum noch einen Song der klingt wie auf dem Dachboden mit einem 4-Spur-Recorder aufgenommen (höchstens Dress up in You etwas). Hier bewahrheitet sich tatsächlich der Pressetenor - die Band swingt wie sonstwas, klingt teilweise wirklich nach Glamrock!

Als Einstieg in The Life Pursuit liefern uns Belle & Sebastian eine der besten Album-A-Seiten seit langem. Das noch etwas verträumte Act of Apostles Pt. 1, Another Sunny Day welches im Titel nicht zuviel verspricht und White Collar Boy, das original nach T-Rex und Konsorten klingt. Wie sich hier gegenseitig die Vocalparts zugeworfen werden, welche Energie hier drinsteckt, welche Melodiebögen immer wieder gesponnen werden ist einfach unglaublich. The Blues are still Blue, To be myself completely - alles ganz großartig. Und dann folgt mit Funny Little Frog auch noch der Song, bei dem schon einiges passieren muss um ihm den Platz der Single des Jahres wegzuschnappen. Da stimmt einfach mal alles (...und eine nähere Lobpreisung erfolgt wenn meine 7" endlich mal geliefert wird). Wusel ist inzwischen sogar schon genervt weil ich fast nix andres mehr hör :-D. Und doch gibt es ein paar Songs die zwar gut sind, aber nicht ganz so hoch fliegen wie der Rest des Albums. Suckie in the Graveyard ist so einer, zwar mit tollem Text versehen, doch irgendwie eigenartig arrangiert. We are the Sleepyheads ist je nach Gemüt nervig oder beschwingend. Die andren Songs haben aber so eine Strahlkraft, dass es schwierig ist, überhaupt Irgendeinen als Schwachpunkt wahrzunehmen. Mein letztjähriges No 1-Album I'm wide awake it's morning wurde auch zu Anfang des Jahres veröffentlicht - ob das auch Dieses hier schafft? Man darf gespannt sein!

Ich bin zwar etwas neidisch weil man der Vinyl Ausgabe des Albums keine schicke DVD (Inhalt: ein paar der neuen Songs Live@BBC Studios) beigelegt hat, die Aufmachung der Platte ist dafür aber auch über alle Zweifel erhaben. Es muss jetzt wirklich mal eine Lanze gebrochen werden. Letztes Jahr gab es wirklich schöne Artworks und Vinylaufmachungen - Sufjan Stevens' Come on feel the Illinoise etwa, welches als dreifach ausklappbares, wunderschön gestaltetes Doppelvinyl kam. Oder Cold Roses von Ryan Adams im Prägedruckcover mit wirklich toller Farbgebung. Aber das ist nichts gegen den Augenschmaus den einem die neue Belle & Sebastian LP bereitet. Man weiß ja inzwischen um den Tick der Band, die Mitglieder nie in Artworks auftauchen zu lassen bzw. höchstens mal zwischen irgendwelchen unbekannten Gesichtern. Auch bei der neuen Platte zieren das Cover wieder 3 unbekannte Damen (Eine die Gewinnern des sog. Dear Catastrophe Waitress-Wettbewerbes). Einige Portraits der Band haben sich zwar trotzdem in das Artwork eingeschlichen, doch größtenteils bleibt auch diese Plattenhülle bandfrei. Und um diesen Absatz jetzt nicht länger als die eigentliche Musikkritik werden zu lassen sag ich einfach: das Klappcover, die toll bebilderten Inner-Sleves, die Labels muss man gesehen haben. Die Texte der Sleeves muss man gelesen haben (hier beantwortet die Band Fragen von Fans über existenziell bis naiv (Q: How do you pronounce Chris' last name? - A: Geddes.)). Die Qualität der Pressung muss man gehört haben. Das ist eine Platte zum immer mal wieder aus dem Regal nehmen, übers Cover streichen und genau hinschauen. Höchstwertung.

Rating - 9/10
Vinyl-Rating - 9,5/10

- CGV -

Hot Hot Heat - Elevator

Hot Hot Heat - Elevator

(2005 / Reprise / 12" Vinyl)

In meinen Jahrescharts 2005 reicht es zwar nur für einen 4ten Platz, doch irgendwo muss man die ganzen tollen Platten aus diesem Jahr ja unterbringen. Aber allein die Tatsache, dass scheinbar kein Kritiker das Album noch am Jahresende zu seinen Favoriten zählt, ist für mich ein Anlass Elevator nochmal in besonderer Weise zu preisen.

Viele der Kritikpunkte hab ich mal im Vorbeigehen aufgeschnappt: "langweilige PopRock-Band", "hängt einem schnell zum Hals raus", "diese Stimme!". Ich musste ja auch selber erstmal überzeugt werden. Nicht gerade begeistert war ich im Vorfeld nämlich vom hochgelobten Vorgänger Make up the Breakdown - eigentlich mochte ich nur This Town. Der Rest war mir irgendwie zu unfertig, zu orgelig und überhaupt: was sollten denn das für komische Melodien sein? Irgendwie kam es dann aber doch dazu, dass Middle of Nowhere als Album-Preview-Download von www.hothotheat.com den Weg auf meine Festplatte fand. Im ersten Moment herrschte etwas Verwirrung. Wo war denn das ganze Spielerische geblieben? Die Abgedrehtheit? Middle of Nowhere ist halt tatsächlich der bodenständigste und irgendwie normalste Track auf Elevator - sowas wie ein kleiner Ruhepol.
Blame the caffeine for all the 5 a.m. phone calls - genau so klingt dann der Rest der Platte. Als würde man mitten in der Nacht von einem hysterischen Anrufer belästigt. Das Album strahlt eine Überdrehtheit aus, die nahelegt, es könnte jeden Moment über die Klippe springen. Die Arrangements sind dermaßen auf den Punkt, dass man das Gefühl hat, die Band hätte die Songs in jahrelanger Detailarbeit geschrieben, die Aufnahmen hingegen sind von einer derartigen Spontanität durchzogen, dass man sich fragt, wie wenig Takes denn tatsächlich dafür gebraucht wurden. Dafür verantwortlich: offenbar Produzent Dave Sardy - der Mann der 2005 auch Oasis zu einem (endlich mal wieder) mehr als formidablem Album verholfen hat.

Ein paar liebgewonnene Eigenschaften haben Hot Hot Heat dennoch beibehalten. Bei vielen Songs orgelt es noch hier und da, der Energielevel wurde nochmal angezogen (siehe z.B. das atemlose Island of the honest man). Dieses Album ist eben für den Tanzboden gemacht, doch selbst der schlimmste Stubenhocker wird sich von seiner Couch stürzen wollen wenn Running out of Time loslegt. Und über allem thront Sänger Steve Bays. An Selbstbewußtsein nochmal kräftig zugelegt leidet, winselt er, euphorisiert den Zuhörer oder prescht ihm entgegen.

Und wie war das mit der geringen Haltbarkeitsdauer der Platte? Ich hab wirklich oft gelesen, man solle sich doch den Gefallen tun und Elevator nicht zu oft hören. Aber wie soll man das denn machen? Die Songs rotieren sowieso pausenlos im Kopf und es wird mit jedem mal schwerer, die Dauer bis zum nächsten Durchlauf abzuwarten. Das einzige mal als das Album 2005 vom Plattenteller kam, war als ich mit den Ponys eine vermeintlich noch energiegeladenere Band entdeckt hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte Elevator aber schon zu sehr mein Jahr bereichert und sich unverzichtbar gemacht um es zu verstossen.

Die Vinylausgabe (einfache LP, schwarzes Vinyl) von Elevator kommt im Klappcover, welches das absurde Artwork im Innenteil originell weiterführt. Ebenfalls dabei: ein Lyric-Sheet - leider etwas farblos. Die Pressqualität ist gut, Verarbeitung ebenfalls.

Rating - 9/10
Vinyl Rating - 7,5/10

- CGV -

McLusky - That Man will not hang

McLusky - That Man will not hang

(2004 / Too Pure Records / 7" Vinyl)

Bei McLusky Tonträgern gibt es zwei Arten: Auf den Alben legt (oder besser: legte - McLusky haben sich leider 2005 aufgelöst) die Band eine ungeheure Experimentierlust an den Tag, dröhnt, quietscht, lärmt und bollert, während irgendwo (meistens im Hintergrund) eine Stimme (wahlweise die von Gitarrist Falco oder Bassist Jon) zwischen (Melodie-)Genie und (Kreisch-)Wahnsinn pendelt (OK: das waren jetzt ziemlich viele Klammern...). Singles von McLusky hingegen fallen etwas aus dem Rahmen: gewöhnlich potenziert sich das Irrsins-Potential um ein Vielfaches, oder aber die Band lehnt sich zurück, dreht den Spieß um und schreibt ein paar lupenreine, abgespeckte Sing-a-long-Ohrwürmer. Diese gehört eher zu Ersterem.

That Man will not hang war mein Einstieg in den McLusky 7"-Sammelwahn und mein signiertes Exemplar wird auf immer einen Ehrenplatz in der kleinen Kiste haben. Die Gemeinsamkeit aller Singles jedoch ist die unverhältnismäßig hohe Qualität der B-Seiten - hier hat man sich wohl ein Beispiel an Zeiten genommen, in denen Singles noch essentiell waren und die Qualität beider Seiten mehr oder weniger über die Zukunft des Künstlers entschieden hat. Die A-Seite hat hier nicht viel mehr zu bieten als den Titeltrack, so wie man ihn vom Album kennt (also kein Single-Mix oder sonstiges) - der jedoch hat es in sich. Der Bass stand bei McLusky noch nie so im Vordergrund (und das will was heißen!), die Drums sind typisch Albini, Gitarre stimmt nur im Refrain ein und der Gesang ist wieder irgendwo ganz tief im Mix versteckt. Auf der B-Seite befinden sich dann 2 Non-Album Tracks: The London Whine Company (Demo) und The All Encompassing Positive. Während Ersterer, ein recht simpler Up-Tempo Track, nicht wirklich vom Fleck kommt, ist Positive, und das wähle ich mit Bedacht, der wahrscheinlich beste McLusky Outtake überhaupt! Minutenlang hört man nur ein simples Gitarrenriff, das eine winselnde, kaum hörbare Stimme (vermutlich Jons?!) begleitet. Die Intonierung, während der Strophe gleichgültig und schlaftrunken, im Refrain leidend, gibt dem Song eine unglaublich triste Atmosphäre, welche plötzlich dermaßen heftig von trompetenartigem Feedback zerrissen wird, dass man regelrecht erschrickt. Und unter all dem Lärm schreit der Protagonist um sein Leben - dramatischer gehts nicht.

Zum Vinyl selber gibts nicht allzuviel zu sagen: die schwarze 7" kommt im stabilen Pappschuber, jedoch ohne Inner Sleeve, was mich persönlich immer etwas stört. Aufgedruckt sind die üblichen Produktionsdaten und Songtitel. Die Pressung war soweit ich mich erinner guter Durchschnitt - mein Exemplar ist durch exzessives Hören doch schon etwas abgenutzt.

Rating - 8/10
Vinyl Rating - 6/10

- CGV -

Interpol - Turn on the Bright Lights

Interpol - Turn on the Bright Lights

(2002 / Matador Records / 12" Vinyl)

Ich hab heute morgen das erste mal im neuen Jahr Interpols Turn on the Bright Lights gehört. Entdeckt hab ich das Album erst relativ spät - dürfte so im Sommer 2004 gewesen sein. Und obwohl 2004 nicht gerade ein veröffentlichungsarmes Jahr war (und unter anderem Interpols zweites Album Antics zu Tage förderte), gehörte Turn on the Bright Lights am Ende doch zu den meistgehörten Alben. Vorher kannte ich die Band nur von einem vergammelten Tourposter, dass an einem zugewachsenen Trafohäuschen in Reick hing (JA, Interpol haben 2002 schonmal in Dresden gespielt). Und irgendwie hab ich sie damals immer mit Eskobar verwechselt und deswegen ignoriert. Eskobar kennt heute auch keiner mehr oder? Das nächste was ich von kannte, waren (eigentlich unhaltbare) Joy Division-Vergleiche und das Cover, welches ja nun gar keinen Aufschluss darüber gibt, was einen erwartet. Und irgendwann 2004 war es dann soweit: in einem unaufhaltsamen Anflug von Neue-Musik-Hören-Wollens kam mir auch Turn on the Bright Lights in die Finger. Und wieder muss man sich wundern, wieso gerade dieses Album überlebt hat, das einen ja nicht gerade anspringt wenn man es das erste Mal flüchtig hört. Ich meine - Untitled - ein simplerer Start wäre höchstens ein Keuchen ins Mikrofon. Dieses Fast-Instrumental vermittelt über 4min eigentlich nur eine einzige Melodie und ein paar wenig-aussagekräftige Textzeilen. Gitarre-Bass-Schlagzeug-Gesang, kein besonders ausgefuchster Takt, kein Schnörkel. Doch geht besonders von diesem Song eine eigenartige Anziehungskraft aus die sich durch das ganze Album zieht. Sphärisch könnte man das nennen, aber dafür sind Interpol eigentlich noch zu sehr Rockband. Der Wachrüttler kommt dann auch sofort in Form von Obstacle 1, welches wahrscheinlich der Grund ist, warum sich die Band in unzähligen Indie-DJ-Plattenkisten wiederfinden dürfte. Und das nicht zu unrecht - hier gibts jetzt die proklamierte Tanzbarkeit, die komplexeren Rythmen, den mitreissenden Gesang. Später sollten Interpol noch weiter in diese Richtung gehen und Antics zu einem, zwar großartigem, aber relativ atmosphär-armen Album machen. Hier jedoch bleibt die Grundstimmung bestehen, was auch an extrem tiefen Produktion liegen dürfte. Im Verlauf des Albums hört man dieses Wechselspiel zwischen sphärisch-tragend und tanzbar. PDA folgt auf NYC, Roland auf Stella, Hands away auf Say Hello to the Angels.

Doch bestehen bleibt immer diese besondere Atmosphäre. Und in dieser ist vielleicht die einzige Verknüpfung zu Joy Division zu sehen - denn eine gewisse Beklemmung vermitteln beide Bands. Darüberhinaus sind Interpol weniger karg instrumentiert und haben eine weniger selbstzerstörerische Attitüde. Der zweite öffentliche Vergleich bezog sich auf andere New Yorker Bands wie Radio 4, Hot Hot Heat oder die Strokes, auf deren Welle Interpol mitgespült wurden. Hier ist die einzige haltbare Gemeinsamkeit der ständig präsente Achteltakt der sich auch in Interpol-Songs gelegentlich einschleicht. Aber sehen wir wie es ist: es gibt schlichtweg keine Band die so klingt wie Interpol. Und das ist auch das Einzigartige an diesem Album - 2002 noch ein Album zu machen, das auf keiner Trendwelle mitschwimmt und völlig eigenständig klingt und, das Wichtigste, durchweg mitreissende und fesselnde Songs zu bieten. Es bleibt was es ist - zweitbestes Album 2002.

Die Pressung kommt als einfache, schwarze 12" im simplen Pappschuber mit (immerhin) bedrucktem Inner-Sleeve auf dem ein Bandfoto und ein paar Produktionsinfos stehen - also nichts Besonderes. Das Vinyl ist zwar 180g schwer, die Qualität aber trotzdem nicht übermäßig toll. Mein Exemplar rauscht sogar an einigen Stellen (würd ich jetzt aber nicht pauschalisieren). Ich hab damals ca 18 EUR dafür bezahlt - zwar nicht zuviel angesichts der Qualität des Albums, aber schon hart an der Grenze was die Aufmachung des Vinyls angeht.

Rating - 10/10
Vinyl Rating - 6,5/10

- CGV -