Marbled Blue Vinyl

Saturday, May 05, 2007

R.E.M. - Lifes Rich Pageant

R.E.M. - Lifes Rich Pageant

(1986 / IRS / 12" Vinyl)

Egal was die Leute sagen, ob R.E.M. nun mit dem Wechsel zum Major Label Warner und ihrem Wandel zu einer der größten Rockbands der Welt ab dem 88er Album Green nun musikalisch tatsächlich kommerzieller geworden sind oder nicht - ihr 1986 erschienenes, inzwischen 4tes Album (in 4 Jahren!) Lifes Rich Pageant ist eindeutig ein Schritt in eine eingängigere Richtung (vorallem nach dem zerwürfelten Vorgänger Fables of the Reconstruction). Und auch wenn das Publikum erst bei The One I love, dem Top 20-Hit vom 87er Document aufhorchte - Dieses hier ist vielleicht wirklich ihre verträglichste LP. Aber das macht doch nichts!

Mitte der 80er war die US-Indiewelt noch in Ordnung: R.E.M. waren eine der gefragtesten Bands des Landes, lieferten ihrem mittelgroßen Indielabel IRS Records jedes Jahr ein kostengünstiges, begeisterndes Album, kehrten ihm aber trotz etlichen Major-Angeboten und stetig wachsender Fanbase auch mit ihrem vierten Album nicht den Rücken. Ganz ohne Veränderungen ging das Ganze natürlich trotzdem nicht vor sich. Die Aufgabe, ein durchweg fesselndes Album aufzunehmen, hatten sie meiner Meinung nach schon mit ihrem Zweitling Reckoning erfüllt, aus Michael Stipes gemurmelten, so gut wie unverständlichen Texten am Anfang der Karriere, war längst ein, gelinde gesagt, emotional gefärbter und einfach nur mitreissender Gesang gewurden und insgesamt kann man schon sagen, dass sich die Band emanzipiert hatte. Lifes Rich Pageant ist vielleicht das erste Album, dass sowohl dem genialen Gitarrenspiel von Peter Buck produktionstechnik die gebührende Ehre erweist, als auch die Geheimwaffe der Band zum Vorschein bringt - backing vocals by mike mills.

Auch wenn das düstere Cover, welches die unglaublichen Augenbrauen von Drummer Bill Berry mit einer Horde Büffel zusammenschneidet, eine eher introvertierte Platte verspricht, precht Begin the Begin schon mit einer angemessenen Kraft nach vorne. So genau konnte ich die R.E.M.-Magie ja noch nie beschreiben. Und tatsächlich sind es immer recht einfache Elemente aus denen sich die Songs zusammensetzen - doch egal was einen nun so sehr daran fesselt, dieser Song hat alles davon! Mit These Days (übrigens Bill Berrys Lieblingstrack der IRS Years) geht es dann auch sehr rockistisch weiter, wobei die Band eine dermaßen riesige Dynamik entwickelt, klingt als würden sie schon 20 Jahre zusammenspielen und sich blind die Bälle zuwirft. Irgendwie erinnert der Track mit seinen ständigen Breaks und verschiedenen Gesangstempi an einen Besuch in einer Hüpfburg. Anschließend wird das ganze dann etwas ausgebremst. Sehr melodiös und sogar ein bischen politisch (aber nicht U2-politisch!) dreht sich Fall on Me (besonders schön hier: Mike Mills Gesangsbridge) um sauren Regen, während Cuyahoga offiziell die Verschmutzung des gleichnamigen Flusses thematisiert (für mich war der Song allerdings irgendwie eher ein Statement gegen die Vertreibung/Ermordung der Amerikanischen Ureinwohner..hm naja!). Hyena reisst mit seinem Ein-Wort-Refrain dann nochmal absolut die Wurst vom Teller und zeigt vorallem wie wichtig Bill Berrys Drumming für den Gesamtsound ist (man höre sich unter diesem Eindruck nochmal These Days an). Wieviel Strangeness REM immer noch besaßen beweisen Underneath the Bunker, Just a Touch und das absolut unfassbar komische, hornbrillige Superman-Cover (LEAD-vocals by Mike Mills!) am Ende der Platte. Ob diese Songs nun bewusst schräge Einsprengsel sind um einem eine absolut perfekte Pop-Platte zu vermiesen, oder ob sie einfach nicht anders konnten sei mal dahingestellt. Für den Einen Skip-Tracks, für den Anderen liebgewonnene, nerdige Zwischenschübe. Etwas kauzig auch das Honkey!-Banjo am Anfang vom absolut brillianten I Believe und die perlende Gitarre auf The Flowers of Guatemala. What if we give it away fällt vielleicht als einziger Track trotz toller Bassline und irgendwie faszinierendem Refrain etwas ab (aber nur vielleicht!) - ein bischen unmotiviert tönen R.E.M. hier - ein krasser Gegensatz zum Rest der Platte. Wäre noch Swan Swan H, der akustische, etwas gruselige Fast-Alleingang von Stipe der hier zwar nicht zur Höchstform aufläuft, dafür aber einen Text im Gepäck hat, der mehr als nur bizarr ist ("Hey captain, don't you want to buy, some bone chains and toothpicks?"). Was bleibt also noch zu sagen? Sicher gibt es ausgereiftere Alben (Automatic for the People? gar Around the Sun?), den Charme von Lifes Rich Pageant macht es aber einfach aus, absolute Pop-Meisterwerke neben betrunkenen Quatsch zu stellen und einem Songs wie Superman als Hits (...btw: und Single!!) zu verkaufen. Bei mir hat es jedenfalls funktioniert! Absoluter Klassiker und eine der allerbesten LPs der Band!

Zum Vinyl selber kann man gar nicht soviel sagen. Da die IRS-Alben in der Vergangenheit lediglich auf CD rereleased wurden und es derzeit keine LP-Auflagen gibt, musste auch ich wohl oder übel auf Ebay zurückgreifen (wo die Dinger derzeit allerdings SEHR günstig weggehen!) und mir ein gebrauchtes Exemplar bestellen. Das Backcover und das Inner-Sleeve sind leider nicht so aufregend wie das wunderbare Cover - aber immerhin gibt es überhaupt ein Sleeve! Die Pressqualität ist natürlich tadellos, digitale Überspielung gab es 1986 schlichtweg nicht (oder doch?). Die CD-Neuauflage bietet zwar einige Bonustracks, die aber wie auch bei allen anderen Rereleases (Murmur, Reckoning, Fables of the Reconstruction und Document) eher verzichtbar sind, auch weil sie die perfekt ausballancierte Gesamtlänge der Alben aus dem Gleichgewicht bringen - also geht lieber den Umweg und holt euch mühsam diese wunderbare Platte auf Vinyl!

Rating - 10 / 10
Vinyl-Rating - 7 / 10

- CGV -

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